Der Luftschutzstollen am Nussberg

Anfang des Jahres 1944 begann man im städtischen Vermessungsamt damit, für den östlichen Teil des Nußbergs, der die Stadtteile Östliches Ringgebiet und Riddagshausen trennt, eine Luftschutz-Stollenanlage zu planen. Grund hierfür war das Fehlen von bombensicheren Bunkern in den beiden Stadtteilen mit ihrer hohen Bevölkerungsdichte. Der lange Kriegsverlauf hatte inzwischen dazu geführt, dass Baumaterialien für Hochbunker nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung standen. So war reichsweit bereits Mitte 1943 dazu übergegangen worden, anstelle der materialintensiven Bunkerbauten Stollenanlagen an geeigneten Orten zu erstellen. Dazu wurden im Juli 1943 die “Bestimmungen für den Bau von LS.-Stollenanlagen” herausgegeben, die Bauweisen, Ausstattung usw. erläuterten. Für Stollenbauten sprachen auch die erheblich niedrigeren Kosten im Vergleich zu Hoch- oder Tiefbunkern.
Im Frühjahr 1944 begann die Baufirma Karl Schaare dann unter Einsatz von Kriegsgefangenen mit dem Vortrieb der Stollenanlage. Es wurde rund um die Uhr gearbeitet, und die Gefangenen hatten unter den harten Bedingungen sehr zu leiden. Die Gesamtlänge der Anlage betrug am Ende etwa 600 m, wobei verschiedene Stollenprofile mit einer Breite von 1,80-4,50 m und einer Höhe zwischen 2,45 m und 2,80 m aufgefahren wurden. Die Überdeckung der Stollen durch den Nußberg betrug zwischen 11 und 15 Metern. Nach den “Bestimmungen für den Bau von LS.-Stollenanlagen” galt das Bauwerk damit als bombensicher.
Die Anlage wurde nach dem Bau durch eine Trockenvermauerung in zwei etwa gleich große Bereiche (Nord und Süd) geteilt. Diese besaßen jeweils drei Zugänge, die mit Gasschleusen versehen waren und aus den Hängen des Nußbergs hervortraten. Insgesamt war die Anlage für bis zu 10000 Schutzsuchende vorgesehen. Allerdings gab es weder eine Belüftungsanlage noch die notwendigen Aborte, so dass die Stollen nur als behelfsmäßiger Schutzraum freigegeben waren. Nach Zeitzeugenberichten fehlten an den Eingängen auch die Stahltüren, so dass die Zugänge nicht sicher verschlossen werden konnten 1. Für die Schutzsuchenden stellte sich zudem der relativ weite Anmarschweg über meist unbefestigte Wege als Problem dar. So machten sich viele oft schon bei den ersten Luftlagemeldungen auf den Weg zum Nußberg, wodurch es dort zu größeren Personen-Ansammlungen kam, die bei Alarm gleichzeitig in die Stollen drängten.

Nach dem Krieg wurde die Anlage von Altmetallsammlern geplündert und ihrer tragenden Stahlbögen beraubt. Dadurch kam es zu Stolleneinbrüchen, woraufhin die Zugänge zum Stollensystem verschlossen wurden. Als es in späteren Jahren auch zu Tagesbrüchen oberhalb der Anlage kam, wurde das gesamte Areal zusätzlich umzäunt. 1967 wurde von der Stadt Braunschweig eine Untersuchung der verbliebenen Stollen beauftragt. Dabei stellte sich heraus, dass nur noch etwa 240 m des ehemaligen Systems erreicht werden konnten. Der Rest war durch Verbrüche blockiert. Eine geplante Verfüllung der Reststollen wurde aus Kostengründen nicht realisiert. Der damals zur Befahrung genutze Zugang wurde für Fledermäuse mit einem Durchlass versehen (s. Bild 2).